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Preistransparenz: Fluch oder Doch Segen?

Die Filialisten der Branche arbeiten seit Jahren sehr erfolgreich mit einer offenen und – aus Kundensicht – transparenten Preispolitik. Ein Heer an Verwaltungsmitarbeitern und Controllern sichert den unternehmerischen Erfolg dieser Großkonzerne mit immer stärkerer Standardisierung und Digitalisierung der Preislisten, Einkaufs- und Verkaufsstrukturen. Die Mitarbeiter werden massiv auf das Thema „Up-Selling“ trainiert und geschult, um das Maximum aus jedem Kunden herauszuholen. Meiner Erfahrung nach wird sehr selten der günstige Angebotspreis verkauft – und wenn doch, dann nur mit mindestens zwei bis drei Brillen pro Kunde!

Innerhalb der traditionellen Augenoptik wurde dagegen bislang kaum transparent über Preise gesprochen. Weder im Einkauf noch im Verkauf. Das war bis dato auch nicht nötig, denn oft sind die Preislisten unserer Glaslieferanten schon vorgefertigt und gespickt mit großartigen Features für unsere Kunden. Eine konkrete Kalkulation der Top-Gläser wird oft nicht durchgeführt.

 

Wichtige Roherträge gehen aufgrund fehlender Preislisten verloren

Dazu kommt, dass in den Betrieben oftmals gar keine eigenen Preislisten vorhanden sind. Dabei kommen mindestens 75 % unserer Umsätze in einem klassischen Betrieb aus dem Bereich Brillenglas. Die Folge: Wichtige Roherträge, welche wir für Investitionen und eine bessere Bezahlung unserer Mitarbeitenden nutzen könnten, gehen verloren.

Wenn wir schon über Transparenz sprechen, möchte ich auch die einzelnen internen und externen Prozesse im Fachgeschäft beleuchten. Hier gilt: Der Kunde möchte heute informiert sein! Woher kommen die Produkte? Wie sind die Serviceleistungen aufgebaut? Welche Garantien werden gewährt? Ist der Berater kompetent? Wie ist der Auftragsstatus meiner Bestellung? Wie setzt sich die Preisgestaltung zusammen? Das ist nur ein Ausschnitt von all den Fragen, die Sie innerhalb einer transparenten und sauber aufgezeigten Kundenreise beantworten und erkennbar darstellen sollten. Denn nicht weniger als DAS erwarten die Kunden heute als Standard.

Wir hatten und haben zum Teil auch noch das vollumfängliche Vertrauen unserer Kunden. Der Endverbraucher gibt seine Entscheidungsfähigkeit an der Eingangstür unseres Geschäfts ab und lässt sich sogar – teilweise schwer schluckend – auf alle genannten Preise ein. ABER: Die Welt der Augenoptik verändert sich – zwar langsam, aber spürbar und disruptiv. Wir müssen uns zunehmend auf sich wandelnde Märkte, ein verändertes Kundenverhalten und steigende Digitalisierung einstellen. Eine klare Positionierung und die dazu passende Gesamtstrategie werden wichtiger denn je! Uns Gedanken zu machen, was speziell unsere Kunden brauchen und sich von ihrem persönlichen Augenoptiker um die Ecke wünschen: Das ist eines meiner persönlichen zentralen Themen!

Haben wir als Betrieb unsere Position gefunden, unser Profil geschärft und kennen unsere Mitbewerber, ist auch unsere Kundenzielgruppe klar umrissen. Mit diesen Informationen fällt es ebenfalls leichter, über den Umfang der Preistransparenz zu entscheiden.

 

Kommunizieren Sie einen produktgerechten Ankerpreis

Haben Sie zum Beispiel eine Ausrichtung zum Generalisten als Inhaber/-in gewählt oder besetzen Sie den passenden Standort? Bedienen Sie alle Kundengruppen von 0 – 99 Jahren gleichermaßen mit jeder Preisvorstellung? In diesem Fall werden Sie die Themen Preis und Leistung stärker spielen.

Qualitäts-Augenoptiker*innen hingegen können, je nach Markenbild, mit einem höheren Einstiegspreis arbeiten. Sie werden allerdings beispielsweise die Themen hochwertige Marken, High-End-Brillengläser und starke technische Ausstattung dauerhaft in den Fokus richten. In der Außenkommunikation spricht man dann meist über einen produktgerechten Ankerpreis.

 

Preistransparenz ist ein Fluch, da vielleicht der ein oder andere potenzielle Kunde vorab verloren geht. Auf der anderen Seite ist sie aber auch ein großer Segen, da wir unsere Kundengruppe klar abgrenzen können. Unsere strategische Ausrichtung ist damit sauber aufgezeigt und für alle Menschen innerhalb und außerhalb Ihrer Organisation klar ersichtlich. Bedenken Sie dabei immer: Die Berechenbarkeit liegt in unserer menschlichen Natur – hiermit fühlen wir uns wohl.

Persönlich habe ich gute Erfahrungen mit einer hohen Preistransparenz gemacht. Ist der Zweck eines Einstiegspreises (Ankerpreises) erfüllt, nämlich das Abmildern der Schwellenangst, lassen sich viele preissensiblen Kunden von einem fachlich gut ausgebildeten Berater auch für ein besseres und preisintensiveres Produkt begeistern.

Uns muss nur zusätzlich für die Zukunft die berufliche Metamorphose vom reinen Augenoptik-Handwerker zum/zur „Gesundheits-Vertriebs-Begeisterungs-Handwerks-Augenoptiker/-in“ gelingen. Wir brauchen dafür den unternehmerischen Mut, Veränderungen konsequent anzugehen. Dies gilt vor allem in den aktuell guten Zeiten, um wichtige Themen voranzutreiben.

Mit diesem Rezept müssen Sie keine Angst mehr vor Preistransparenz haben – und als Nebeneffekt machen wir unseren Beruf auch noch deutlich attraktiver! 

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