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Künstliche Intelligenz in der Augenoptik. Und jetzt?

Geschrieben von Bastian Schnuchel | 13. Juni 2023

„Künstliche Intelligenz wird das Leben der Menschen stärker verändern als die Erfindung des Internets“, so der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar in der Talkshow „Maybrit Illner“ Mitte April. Wie genau, werden wir in fünf bis zehn Jahren wissen, vielleicht schon früher. Denn darin sind sich alle Experten auf diesem Gebiet einig: Es geht nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wann“ und „wie enorm“ Künstliche Intelligenz Einfluss auf unseren beruflichen und privaten Alltag haben wird. Vorweg der wichtigste Fakt in diesem Zusammenhang: Der Mensch hat es (noch) in der Hand, diese Entwicklung zu lenken. Also auch Sie!

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Im Leitartikel dieses eyenews-Magazins möchten wir uns nicht mit den grundsätzlichen Fragen zur Künstlichen Intelligenz beschäftigen, sondern einen Blick in die Glaskugel wagen und versuchen (es ist wirklich nur ein Versuch!) herauszufinden, welche positiven, aber auch negativen Auswirkungen Künstliche Intelligenz ganz konkret auf die Augenoptik und auf die Hörakustik haben werden.

Doch bevor wir tiefer einsteigen, lassen Sie uns den Begriff „Künstliche Intelligenz“ abgekürzt mit KI (oder im Englischen „artificial intelligence“, abgekürzt mit AI) definieren. Das ist wichtig, weil der KI-Terminus aktuell von vielen Firmen (auch in der Augenoptik) inflationär verwendet wird, um innovativ zu sein oder besonders hip zu wirken. Ganz pauschal kann man sagen, dass Künstliche Intelligenz ein Sammelbegriff für alle menschenähnlichen Tätigkeiten ist, die von Maschinen ausgeführt werden. Mittlerweile sollte man diese aus den 80er-Jahren stammende Definition ergänzen mit dem Zusatz: Tätigkeiten, „die Intelligenz erfordern“.

Die Stufen Künstlicher Intelligenz können grundsätzlich unterschiedlich kategorisiert werden. In der Info-Box haben wir für Sie eine sehr einfache, 4-stufige Einteilung Künstlicher Intelligenz mit praktischen Beispielen zusammengestellt.

Die 4 Stufen Künstlicher Intelligenz

 

Typ 1: reaktive Maschinen

Diese Maschinen sind der Ur-Typ intelligenter Geräte. Sie beobachten eine Handlung und reagieren dann mit einer darauf abgestimmten und auf starren Regeln basierenden Handlung. Ein berühmtes Beispiel ist der Schachcomputer Deep-Blue, der 1997 gegen den damaligen Schachweltmeister Garri Kasparow gewonnen hat. Der Computer hat die Handlung beobachtet und in irrsinniger Geschwindigkeit aus einer Vielzahl beinahe unendlicher Spielkombinationen die für ihn erfolgversprechendste ausgewählt.

 

Typ 2: begrenzte Speicherkapazität

Diese Maschinen sind in der Lage, gesammelte Daten vergangener Situationen auf das aktuelle Geschehen anzuwenden und in ihre Entscheidungen einzubeziehen. Dieser KI-Typ ist der heute am häufigsten angewandte. Selbstfahrende Autos sind hier ein bekanntes Beispiel: Sie beobachten die aktuelle Verkehrssituation und antizipieren das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer. Dieser Typ ist auch der, mit dem wir alle täglich zu tun haben, denn dieser KI-Typ steuert beispielsweise die Inhalte, die jedem von uns in den sozialen Netzwerken angezeigt werden. Der Computer wählt also für uns die Information aus, die für uns am relevantesten erscheint. 

 
Typ 3: Theorie des Geistes

Diese Maschinen gehören – anders als Typ 1 und 2 – zu den starken KI-Systemen und existieren bisher (noch) ausschließlich in der Theorie. Sie sollen die Emotionen von Menschen wahrnehmen, verstehen und ihr Verhalten daraufhin abstimmen können. Zudem werden sie ein Gedächtnis haben und ihr Bild von der Welt, basierend auf Gelerntem, erweitern können.

 
Typ 4: Selbstwahrnehmung

Der KI-Typ 4 kommt dem menschlichen Bewusstsein am nächsten: Diese Computer sollen die Umwelt vollständig wahrnehmen können, menschliche Emotionen, Absichten und Reaktionen nachvollziehen und danach handeln können. Falls Sie in den 90er Jahren die Serie Star Trek gesehen haben: Der Android „Data“ ist eine KI dieser Stufe und damit dem Menschen mindestens ebenbürtig, vermutlich aber überlegen.

Versuchen wir nun die Frage zu beantworten, welche Auswirkungen KI auf die Augenoptik- und Akustikbranche haben wird. Dafür starten wir zunächst mit den möglichen positiven Aspekten Künstlicher Intelligenz:

 

1. Effizienz-Steigerung

Künstliche Intelligenz kann optometrische Messungen oder auch unser Allerheiligstes, die Refraktion bzw. die Höranalyse, nachhaltig positiv verändern. Einige Kolleginnen und Kollegen arbeiten – wissentlich oder zufällig – schon mit ersten dieser Systeme. Die Auswertungen von Netzhautbildern, smarte Tests in der Refraktion oder in der Audiometrie sind hier sicher nur der Anfang. Vielmehr geraten zwei Ziele künftig besonders in den Fokus: die Erhöhung der Verfügbarkeit sowie die Steigerung der Durchführungsgeschwindigkeit. Will heißen: Untersuchungen, die bisher nur ein Augen- oder HNO-Arzt durchführt, werden in Zukunft vom Augenoptiker bzw. Akustiker getätigt und das – dank KI-Hilfe – schneller als bisher. Unterm Strich können also mehr Tests mit weniger zeitlichen oder personellen Ressourcen durchgeführt werden. Gleichzeitig sorgt die KI für eine Verbesserung der Qualität, weil sie für den Menschen nicht wahrnehmbare Auffälligkeiten erkennt und Zugriff auf einen schier unendlichen Erfahrungsschatz hat, mit dem Sie Ihre Ergebnisse vergleichen können.

 

2. Kompensation fehlender Fachkräfte

Neben der oben genannten Steigerung der Effizienz in der Audiometrie und der Refraktion wird die KI sicher auch einen positiven Effekt auf andere betriebliche Abläufe haben. Alle Prozesse, die reproduzierbar sind, kann eine KI übernehmen – schneller und gleichzeitig noch exakter. Auf diese Weise wird es möglich sein, dass Sie Ihre Mitarbeitenden dort einsetzen, wo sie wirklich gebraucht werden: am Kunden und nicht in der Administration. Im Idealfall ist die Künstliche Intelligenz also eine große Chance, den immer fataleren Fachkräftemangel zu kompensieren. Mögliche Einsatzbereiche sind z. B. eine automatisierte Buchhaltung oder eine Optimierung des Einkaufs. Die KI analysiert, welche Brillen verkauft und welche Ladenhüter sein werden, noch bevor diese überhaupt eingekauft sind. Oder sie berechnet automatisch den höchstmöglichen Verkaufspreis eines Hörgerätes, den ein Kunde vermutlich bereit ist zu bezahlen. Die Liste kann mit etwas Fantasie beinahe unendlich verlängert werden.

Das Ergebnis: Der Alltag eines Augenoptikers oder eines Hörakustikers ändert sich dadurch eklatant. Will heißen: All diejenigen, für die Buchhaltung Entspannung vom stressigen Verkaufsalltag bedeutet, werden sich vermutlich einen anderen Ausgleich suchen müssen.

 

3. Personalisierung

Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz können Produkte oder das Marketing dafür noch individueller gestaltet werden als heute. Mit eyeqube® haben wir vor gut vier Jahren den Grundstein gelegt und als erste Agentur der Branche die KI aktiv in das Marketing der Augenoptiker integriert. Ziel ist es, durch eine absolut kundenfokussierte und maximal individuelle Ansprache die Kosten für das Marketing zu reduzieren und gleichzeitig den Werbeerfolg zu erhöhen.

Die ersten Ergebnisse sind extrem positiv und wir arbeiten schon – basierend auf den Erfahrungen von über 400 Augenoptikern – an der nächsten Generation von eyeqube®. Doch damit nicht genug: Parallel dazu tüfteln wir an der neuen Generation unserer eyepage®. Der Grund: Bislang hat jeder Augenoptiker eine Internetseite, die für alle Kunden gleich ist. In Zukunft aber wird jeder Augenoptiker unendlich viele Internetseiten haben – für jeden Kunden eine. Junge Kunden werden andere Inhalte sehen als ältere und modische Kunden wieder andere Inhalte als konservative. Das Ziel ist jedoch das gleiche wie bei eyeqube®: maximale Individualisierung für maximalen Response!

 

4. Forschung & Entwicklung

Bisher wurden neue Brillengläser zwar am Computer designt, in der Praxis musste sich jede neue Entwicklung aber in teils sehr aufwendigen Versuchen beweisen. Neben enormen Kosten ist es vor allem der Faktor Zeit, der hier am stärksten ins Gewicht fällt. Bei Arzneimitteln oder Medizinprodukten ist das noch deutlich komplexer. Nicht selten dauert es eine Entwicklergeneration, bis ein neues Produkt oder ein neues Medikament Marktreife erlangt. Die KI wird diese Prozesse beschleunigen und erkennen, wenn Entwicklungen drohen in die falsche Richtung zu laufen. Teure und zeitaufwendige Umwege werden so seltener oder gehören irgendwann vielleicht ganz der Vergangenheit an. Immer bessere Produkte werden immer schneller zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wird es schon bald Produkte und Medikamente geben, die alle Informationen des Nutzers berücksichtigen und sich über das Feedback der Kunden / Patienten „automatisch“ weiter optimieren.

 

Diese Aspekte klingen durchweg positiv und lassen die Zukunft in einem guten Licht erscheinen – für mich jedenfalls. Aber getreu dem Motto „wo Licht ist, ist auch Schatten“, kann sich die Künstliche Intelligenz in Teilen negativ auf unsere Branchen auswirken. Lassen Sie uns daher ungeschönt auch einen Blick auf die andere Seite der Medaille werfen: Welche negativen Auswirkungen kann Künstliche Intelligenz auf die Augenoptik haben?

 

1. Wegfall von Arbeitsplätzen

Allgemein betrachtet ist die größte Bedrohung durch die KI sicher, dass wiederkehrende Handlungen weiter digitalisiert und automatisiert werden. Branchen wie das Taxigewerbe, Speditionen oder Buchführungsdienstleister werden in naher Zukunft deutlich stärker betroffen sein als Berufe, in denen mit Menschen interagiert wird. Einerseits ist das natürlich eine beängstigende Vorstellung, wenn Computer Arbeitsplätze ersetzen und damit den Menschen wegrationalisieren. Andererseits ist das aber auch eine Chance gegen den Fachkräftemangel. Verlassen wir für einen Augenblick unsere Branchen und steigen in den Helikopter, um das wahre Ausmaß dieser Entwicklung zu erahnen:

Ihre Kunden kaufen bei Ihnen High-Tech- Hörgeräte oder hochwertige Brillen. Das Geld dafür verdienen diese Kunden bei ihrer Arbeit, also z. B. als Maschinenführer oder Bürokauffrau/-mann. Was passiert, wenn diese Jobs wegfallen? Im besten Fall verkaufen wir einfach nur weniger Officebrillen an dann ehemalige Bürokaufleute oder weniger Gehör-schutz an dann arbeitslose Maschinenführer, weil es diese Jobs einfach nicht mehr geben wird. Doch wie genau sieht dann der "worst case" aus?! Was passiert, wenn Menschen in nie dagewesenen Dimensionen arbeitslos werden? Das überlasse ich einfach mal Ihrer Kreativität!

 

2. Datenschutz und Monopolisten

KI-Systeme speichern Daten. Was passiert, wenn diese Daten statt zum Wohle eines Kunden zu seinem Nachteil eingesetzt werden? Das kann harmlos anfangen, indem der Kunde einfach mit Werbung für Produkte bombardiert wird, die er gar nicht haben möchte und endet vielleicht damit, dass man eine Versicherung nicht abschließen kann, weil die Künstliche Intelligenz ein unkalkulierbares Risiko sieht, nur weil man zwei Gläser Wein pro Monat mehr trinkt als der Durchschnitt.

Die aktuelle Entwicklung jedenfalls zeigt, dass viele Daten bei wenigen großen, meist in Amerika ansässigen Firmen zentral gespeichert werden. Daten gelten heute schon als Treibstoff vieler Unternehmen und machen in vielen Firmenbewertungen 90 % und mehr des Firmenwertes aus. Daten sind also ein beinahe unendlich wertvolles Gut. Was, wenn sich diese Entwicklung weiter beschleunigt und es vielleicht am Ende nur noch eine Stelle gibt, die alle Daten aller Menschen zentral verwaltet? Welche Auswirkungen kann dies auf die Augenoptik oder die Akustik haben? Das kann man heute noch nicht wirklich abschätzen, aber eines ist klar: Ein Datenmonopol ist ein dramatisch größeres Risiko für uns alle als die Fusion zweier großer Augenoptikkonzerne.

 

3. Fehleranfälligkeit

Systeme, die auf Künstlicher Intelligenz basieren, sind nur so gut wie die Daten, mit denen diese arbeiten. Wenn die KI – auf Basis falscher Annahmen – automatisiert 200 Rollen Toilettenpapier bestellt, an Stelle der tatsächlich gebrauchten 10 Rollen, ist das ärgerlich, aber verschmerzbar. Wenn aber eine KI eine Diagnose stellt und es z. B. um die Entscheidung geht, ob ein Auge operiert werden muss oder nicht, sieht die Sache deutlich anders aus. Aktuell ist die Lage rechtlich und praktisch eindeutig: Das letzte Wort und die Konsequenzen einer Entscheidung trägt immer der Mensch, egal ob Arzt oder Patient. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Mensch in Zukunft noch zu wirklich eigenen Einschätzungen fähig ist, eigene Entscheidungen für sich selbst und andere treffen kann und sich nicht nur auf diesen Computer verlässt.

 

4. Mangel an menschlicher Interaktion

Stellen Sie sich vor, Sie wären der innovativste Augenoptiker Deutschlands und haben es als erster geschafft, dass alle, also wirklich alle Ihre Aufgaben von Robotern und Künstlicher Intelligenz erledigt werden. Das Licht geht morgens automatisch an, abends automatisch aus (okay, das geht vielleicht auch heute schon); die Kunden werden von einem Refraktions- Roboter so exakt ausgemessen wie noch nie zuvor (davon sind wir gar nicht mehr so weit weg) und der digitale Mode-Assistent findet weltweit, und ohne dass Sie diese auf Lager haben, genau die eine Brille, die, mathematisch betrachtet, am besten zum Kunden passt; die Gläser und auch die Fassung kommen direkt und fixfertig aus dem 3-D-Drucker in Ihrer Werkstatt. Und zu guter Letzt bringt Ihre selbstfliegende Lieferdrohne – Ihre „flyingeye“ – die Brille nach nur 24 Stunden direkt zum Kunden nach Hause. Was glauben Sie würde passieren?

 

Ich glaube, Sie werden sich in den ersten 12 Monaten vor Kunden kaum retten können. Die Umsätze klettern in Rekordhöhen, genau wie die Erträge, weil die KI ganz nebenbei Ihre Personalkosten auf knapp über Null senkt und Sie keine Produkte mehr auf Lager haben. Alle Kunden finden das „total cool“, weil es so etwas nur bei Ihnen gibt. Aber der Hype wird schnell vorüber sein, denn der uralte Spruch, den Sie vermutlich auch schon dutzende Male gehört haben, wird wichtiger denn je werden: Menschen kaufen bei Menschen! Und genau das wird es sein, was die Kunden in Zukunft zu schätzen wissen.

Denn eine Künstliche Intelligenz macht zwar deutlich weniger Fehler als der Mensch, aber Empathie kann Sie nicht zeigen. Und selbst wenn die KI auch das irgendwann kann: Ein echtes Lächeln wird immer mehr Wert sein als das künstliche Lächeln eines Computers, der am Ende nur das Geld Ihrer Kunden möchte. Falls Sie jetzt sagen: Vielleicht erkennen wir bis dahin den Unterschied nicht mehr. Ich bin überzeugt: Am Ende muss die Menschlichkeit gewinnen!

Wie wäre es mit einem kleinen Zwischenfazit?! Der Fairness halber bilanzieren wir einmal aus Sicht der Kunden und einmal aus Ihrer Sicht als Fachgeschäft-Inhaber.

 

Vor- und Nachteile aus Sicht des Endkunden

Jeder Endkunde ist daran interessiert, die bestmögliche Leistung zu erhalten. Das betrifft sowohl die Qualität der Dienstleistung, als auch die des Produktes selbst. Wenn der Einsatz Künstlicher Intelligenz also zum einen dazu führt, dass man nicht nur beim Augenarzt den aktuellen Zustand seiner Augen bewerten lassen kann, sondern vielleicht auch irgendwann an der Raststätte einer Autobahn oder zu Hause auf dem Sofa, dann ist das sicher eine für den Kunden sehr positive Entwicklung. Denn schon heute ist klar: Je häufiger eine Vorsorgeuntersuchung gemacht wird, desto früher können Veränderungen erkannt und Behandlungen eingeleitet werden. In der Konsequenz werden dann in den Augenarztpraxen weniger „gesunde Patienten“ sitzen, sondern nur noch die, die auch wirklich eine Behandlung benötigen. Noch einen Schritt weitergedacht hilft die KI auch dem Augenarzt, seine Behandlung zu optimieren, da die Ergebnisse seiner Untersuchungen mit vielen Hunderttausend Behandlungen und deren Ergebnissen weltweit verglichen werden. Im Ergebnis erhält der Patient die bestmögliche Behandlung. Und bestmöglich bedeutet dann wirklich bestmöglich – unabhängig von den individuellen Erfahrungen eines einzelnen Arztes. Natürlich gibt es auch Vorteile außerhalb des optometrischen Spektrums. Die Entwicklung von Produkten, z. B. Brillengläsern, wird dank Künstlicher Intelligenz beschleunigt und vielleicht gibt es sehr bald individuelle Gleitsichtgläser, die 10-mal oder 100-mal individueller gefertigt sind als die aktuell individuellsten Produkte. Das Ergebnis: individuellere Produkte, noch besserer Sehkomfort und – aus Kundensicht auch erfreulich – eventuell günstigere Preise, da sich die Kosten für Forschung, Entwicklung und Produktion deutlich reduzieren könnten.

 

Vor- und Nachteile aus der Sicht eines Geschäftsinhabers

Betrachten wir direkt den Bereich, der den meisten Akustikern und Augenoptikern besonders unter den Nägeln brennt: den Fachkräftemangel. Die Künstliche Intelligenz kann helfen, Prozesse zu automatisieren. Ihre Mitarbeitenden werden keine Zeit mehr mit Bestellung, Buchhaltung oder anderen stupiden Aufgaben verbringen, sondern sich voll und ganz auf den Kunden konzentrieren.
Gleichzeitig wird die KI den Analyse- und Verkaufsprozess qualitativ verbessern und beschleunigen. Im besten Fall können Sie mit der Hälfte an Mitarbeitern zwei- oder dreimal so produktiv sein wie heute.

 

Mehr Zeit für den Kunden!

Und ganz nebenbei: Mehr Zeit für den Kunden und mehr Fokus auf ihn kann auch mehr Umsatz pro Kunde bedeuten. Damit das aber gelingt, müssen Sie neben Ihrer fachlichen Kompetenz auch eine entsprechende Kompetenz im Bereich der KI haben oder sich diese „einkaufen“. Die Technik wird also – ganz allgemein gesprochen – immer wichtiger für Ihren unternehmerischen Erfolg. Vermutlich werden das die Großen der Branche und vielleicht auch die Online-Player besser und schneller können als ein einzelner Akustiker oder Augenoptiker. Um diese Herausforderungen zu meistern, wird es also in Zukunft wichtiger denn je sein, sich mit Kolleginnen und Kollegen zusammenzuschließen und gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Idealerweise sind diese Zusammenschlüsse losgelöst von dem Interesse einzelner Lieferanten, um weiterhin die eigene Individualität und Souveränität zu behalten.

 

Kommt doch alles anders?

Vielleicht kommt aber alles auch ganz anders und es gibt den klassischen Augenoptiker oder Hörakustiker in 20 Jahren nicht mehr. Vielleicht ist die Technik bis dahin so weit, dass Brillen und Hörgeräte voll automatisch angepasst werden können. Ein „Software-Produkt“ wie ein Hörgerät ist davon sogar stärker bedroht als die analoge Brille. Aber vielleicht sehe ich das auch nur durch meine persönliche rosarote Augenoptiker-Brille so, weil ich mir das nicht vorstellen kann und will. Egal wie es kommt, die KI wird unseren Alltag als Augenoptiker oder Akustiker verändern. Aber genauso überzeugt bin ich auch, dass der Mensch in diesem Konstrukt immer wichtiger werden wird. Auch wenn es stumpf klingt: Menschen kaufen bei Menschen!

Wenn Sie jetzt sagen: „Wunderbar, ich bin 64 und habe nur noch 2 Jahre bis zur Rente!“, dann müssen Sie sich – zumindest in Ihrem beruflichen Leben – vermutlich nicht mehr mit den konkreten Auswirkungen Künstlicher Intelligenz beschäftigen. Wenn Sie – so wie ich – ein paar Tage jünger sind, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie mit KI aktiv in Berührung kommen werden, beinahe exponentiell mit jedem Lebensjahr.

Vielleicht erinnern Sie sich noch an das erste Zitat in diesem Artikel von Ranga Yogeshwar: „Künstliche Intelligenz wird das Leben der Menschen stärker verändern als die Erfindung des Internets“. Fakt ist, dass das Internet auf die wirtschaftliche Stärke der meisten regionalen Augenoptiker bisher so gut wie keine Auswirkung hatte. In Anbetracht von 5 % verkaufter Korrektionsbrillen online, kann man aktuell definitiv nicht von einem „disruptiven Geschäftsmodell“sprechen. Der Einfluss Künstlicher Intelligenz auf Augenoptik und Hörakustik wird deutlich größer sein und unsere Branchen gehörig durcheinander wirbeln.

 

Mein ganz persönlicher Tipp für Sie: Gehen Sie mit offenen Augen durch die Welt, informieren Sie sich regelmäßig über die aktuellen Entwicklungen Künstlicher Intelligenz und sehen Sie – ganz wichtig und egal was passiert – stets Chancen für sich und Ihr Unternehmen. Bei mir jedenfalls überwiegt die Neugier auf das, was noch alles kommt, auch wenn natürlich der Umfang der Veränderungen aller Voraussicht nach mindestens groß sein wird.

Also: Augen auf und durch!